Kochbuchtipps Wir wäre es heute mit Tacos de Ropa Vieja?

Authentische Küche beginnt mit authentischen Köchinnen und Köchen. Unser Autor hat sich durch Rezeptsammlungen gekocht, die von Küchenchefs aus Äthiopien, Mexiko und Palästina zusammengestellt worden sind.

Mexikanische Leckereien: Limetten, Chilis und Avocados gehören dazu

Foto: Alicia Taylor / Prestel Verlag

Saba Alemayoh: »Tigray – Äthiopisch kochen«

Foto: Stiebner

Über die Küche des Landes am Horn von Afrika ist hierzulande wenig bekannt. Äthiopische Speisen sind, so das Vorurteil, unerträglich scharf und werden statt mit Messer und Gabel mit einem dunklen Fladenbrot und den bloßen Händen gegessen. Wahr davon ist die Liebe der Ostafrikaner zu starker, teilweise auch recht pikanter Würzung. Und tatsächlich eignet sich das Fladenbrot Injera aus über mehrere Tage hinweg fermentiertem Teffmehl perfekt dazu, das Essen ohne Besteck vom Teller aufzunehmen. Weitere Zutaten der Fladen sind nur noch Trockenhefe und Wasser, doch die Zubereitung ist kniffelig, weswegen dieses Buch mit dem Injera-Rezept beginnt.

Dass dieses Werk aber so viel mehr bietet als nur eine bunte afrikanische Rezeptsammlung, ist das große Verdienst der Autorin und Köchin Saba Alemayoh. Sie nimmt uns auf 208 Seiten auf ihre ganz persönliche Reise mit, stets begleitet von kulinarischen Erinnerungen an die Küche ihrer Mutter und Co-Autorin Tekebash Gebre. Saba wurde als Kind äthiopischer Eltern im Sudan geboren und flüchtete mit ihrer Familie nach Australien, wo sie zusammen mit ihrer Mutter in Melbourne viele Jahre lang ein Restaurant mit äthiopischer Küche betrieb. Auf der Karte von »Saba’s Ethiopian Restaurant« standen ausschließlich Speisen, die aus Tigray, der nördlichen Heimatregion der Familie, stammen.

Die religiöse Mehrheit dort sind orthodoxe Christen, die – wie auch die zweitgrößte Bevölkerungsgruppe der Muslime – kein Schweinefleisch essen und sich streng an die konfessionell vorgegebenen Fastenzeiten halten. Über 100 Fastentage pro Jahr haben denn auch zur Entwicklung eines abwechslungsreichen vegetarischen, oft auch veganen Speiseplans geführt. An den anderen Tagen wird dann gern, sofern verfügbar, mit Lamm und Rind gekocht. Das Buch spiegelt diese im besten Sinne omnivore Ernährung in zahlreichen interessanten Rezepten wider. Mithilfe von Afro-Shops und Online-Zutatenhandel geben diese auch hierzulande einen einigermaßen authentisch nachkochbaren Einblick in die Koch- und Essgewohnheiten des seit Jahrzehnten von Armut und Kriegen heimgesuchten Landes.

Neben dem allgegenwärtigen Injera-Brot sind noch weitere Grundpfeiler dieser Küche schon auf den ersten Seiten rezeptiert. Etwa die mit dem markanten Aroma von Bockshornkleesamen aromatisierte und mit Kurkuma leuchtend gelb gefärbte Gewürzbutter Tesmi, der mit einem knappen Dutzend Aromen gewürzte Kichererbsenbrei Shiro und die (tatsächlich sauscharfe) Chili-Gewürzpaste Dilik. Butter und/oder Paste kommen in etlichen Rezepten zum Einsatz, insbesondere in Schmortöpfen mit Lamm und Rind.

Der Großteil der jeweils von persönlichen Geschichten, Beobachtungen und teilweise auch politischen Exkursen begleiteten Rezepte aber kommt ohne Fleisch aus und zeigt die Bandbreite der ostafrikanischen Veggie-Freuden. Das reicht von diversen Eintöpfen wie Alicha Birsen (gelbe Spaltlinsen), Duba (Kürbis), Keysir (Rote Bete) und Defun Birsen mit grünen Linsen, bis zu Tekebashs frittiertem Blumenkohl und dem pikanten Tomaten-Erdnussbutter-Salat Dakwa.

Den Untertitel »Von der Sehnsucht nach Heimat: Rezepte und Familiengeschichten vom Horn von Afrika« hat sich dieses Buch mehr als verdient und bietet einen auch optisch hervorragend umgesetzten Einstieg in Küche, Kultur und Politik Äthiopiens.

Typisches Rezept? »Kintishara sebhi« (Tomaten-Pilz-Pfanne)

Was kostet das? 28 Euro


Rosa Cienfuegos: »Mexico City – Das Kochbuch«

Foto: Alicia Taylor / Prestel Verlag

An Büchern mit Rezepten aus Mexiko herrscht kein Mangel. Doch dass es in diesem Genre noch einen gewaltigen blinden Fleck gab, weiß man erst seit 2023, als dieses jetzt auch auf Deutsch veröffentlichte Werk in englischer Sprache unter seinem Originaltitel »CDMX: The Food of Mexico City« erschien. CDMX ist die Abkürzung für »Ciudad de México«, wie die Hauptstadt von den Einwohnern des amerikanischen Landes genannt wird. Ähnlich wie bei »Tigray« ist auch die Autorin dieses Buchs nach Australien ausgewandert und mit einem Restaurant erfolgreich geworden, in dem konsequent die Speisen ihrer Heimat gekocht werden – Rosa Cienfuegos »Tamaleria and Mexican Deli« in Sidney.

Dort steht nicht viel von dem auf der Karte, was hierzulande bei typischen »Mexikanern« angeboten wird, sondern exakt das Essen, das man in dem 20-Millionen-Schmelztiegel an jeder Ecke bekommt. Es ist ein kulinarisches Echo aus allen Provinzen des Landes, jedes für sich aber auf eine ganz spezielle Art metropolisiert. Bei dem aus Yucatán kommenden Cochinita pibil zum Beispiel schmort die Schweineschulter ganz langsam in Essig, Bitterorangensaft und brutal scharfer Habanero-Mango-Sauce. Der aus Jalisco bekannte Maiseintopf Pozole sowie die Ziegenfleischsuppe Birria werden kulinarisch mit prallen Hominy-Maiskörnern respektive hellem mexikanischem Lagerbier in der Ziegenmarinade aufgewertet.

Alle Gerichte in diesem wunderschön fotografierten und fast noch schöner illustrierten Buch sind auf 256 Seiten gewissenhaft rezeptiert. Das trifft auch auf den Liebling der Stadtbewohner und Namensgeber für Cienfuegos Restaurant zu, die Tamales, süß bis herzhaft-scharf gefüllte, meist gedämpfte, in der »Ciudad« aber gern auch frittierte Maiskolbenblätter. Hier wie bei vielen anderen autochthonen Gerichten Mexikos kommt das spezielle Maismehl Masa Harina zum Einsatz, das vorwiegend für die Herstellung authentischer Tacos, Tortillas, Gorditas und Quesadillas unverzichtbar ist. Der Grund: Die aufwendige, in Mexiko seit Jahrhunderten praktizierte Vorbehandlung der Maiskörner mit Kalkasche (Nixtamalisation) sorgt dafür, dass das wertvolle Vitamin B3 (Niacin) aus den Körnern für unsere Verdauung verfügbar wird. Unbehandeltes Maismehl als Hauptnahrungsmittel, wie es in vielen anderen Ländern angeboten wird, kann zu Mangelerscheinungen führen.

Doch wer sich fleißig durch die interessanten Cienfuegos-Rezepte kocht, wird wahrlich keinen Mangel verspüren. Denn diese Spezialitäten sind zumeist echte Kalorienbomben. Man ist fast schon froh, dass der Verlag darauf verzichtet hat, Nährwertangaben neben den Zutatenlisten abzudrucken.

Typisches Rezept? »Tacos de Ropa Vieja« (»Lumpen«-Tacos)

Was kostet das? 36 Euro


Sami Tamimi – »Boustany«

Foto: DK Verlag

Freunden hochwertiger, arabisch angehauchter Kochkunst ist der Name Sami Tamimi längst bekannt. Mit seinem langjährigen Freund und Geschäftspartner Yotam entwickelte er internationale Kochbuch-Bestseller wie »Ottolenghi – Das Kochbuch« und »Jerusalem« sowie mit Tara Wigley »Palästina – Das Kochbuch«. Tamimi leitete zwei Jahrzehnte lang das operative Management des Ottolenghi-Food-&-Kitchen-Geschäfts, ist aber ebenso ein erfolgreicher Koch und Rezeptentwickler. Kein Wunder also, dass auch sein aktuelles Werk »Boustany« wieder eine gleichermaßen authentische und appetitanregende Mischung aus levantinischen Gaumenfreuden verspricht.

Der Titel ist an das arabische Wort Boustan angelehnt. Es bezeichnet private Obst- und Gemüsegärten, die Familien mit ausreichend Platz und Zugang zu Wasser anlegen, um sich zumindest teilweise von selbst angebauten Pflanzen ernähren zu können. Es ist naheliegend, dass Tamimi für dieses Konzept kein Fleisch oder Fisch benötigt. Der Untertitel lautet »Vegane und vegetarische Rezepte aus Palästina. 120 köstliche palästinensische Gerichte«.

Das hat überhaupt nichts mit Ernährungstrends zu tun, denn die Grundnahrungsmittel Palästinas sind seit jeher Olivenöl, Getreide, Hülsenfrüchte, Datteln, Nüsse, Samen sowie eine große Vielfalt an frischem Obst und Gemüse. Hinzu kommen die typischen in diesem mild-gemäßigten Klima wild wachsenden Kräuter, Früchte und Pilze. Zu ihnen zählen etwa hocharomatische Wildkräuter wie Za’atar, eine wilde Thymianart, die zusammen mit Sesamsamen, Sumach und Salz eine gleichnamige Gewürzmischung ergibt. Aber auch Salatgemüse wie Wilde Malve (Khubeza), Zichorien, Portulak, Gundelia (Akub) und Löwenzahn. Und zudem Wildfrüchte wie Johannisbrotschoten, Maulbeeren, Kaktusfrüchte (Sabr) und Weißdorn (Zaerur).

Nicht alle kommen in Tamimis Rezepten vor, und wenn doch, nennt er einfacher zu bekommende Alternativen. Das ist bei uns selbst in Orten mit einer guten Infrastruktur arabischer Lebensmittelgeschäfte ungemein hilfreich. Ebenso wie die für Kochbücher aus dem Ottolenghi-Umfeld typische logische und übersichtliche Kapitelstruktur. In diesem Fall unterteilt sie in Self-Convenience-Produkte für die Vorratskammer (Pickles, Pasten, Soßen und Würzmischungen), Frühstück & Brunch, kleine Gerichte & Dips, Salate, Suppen, Brot, Süßkram, und Speisen von einfach (»Unter der Woche«) bis zum großen Levante-Gaumenkino (»Für Gäste & Feste«). Keine Überraschung ist, dass Tamimi für all das 320 Seiten benötigt.

Die durchweg aromastarke Grundwürzung der palästinensischen Küche sorgt dafür, dass selbst hartnäckige Carnivoren viele der Speisen aus diesem Buch mit großer Freude genießen können. Allen voran die etwas raffinierteren Rezepte aus dem »Feste«-Kapitel. Beispielsweise das Süßkartoffel-Kubbeh mit Chilisalsa, Couscous-Puffer mit Zitronenjoghurt, Fatteh mit gerösteten Auberginen und die nur auf den ersten Blick französisch anmutende Spargel-Lauch-Galette mit Haselnusskernen. In Palästina Fattiret Halyoun gennant.

Viele Rezepte kommen ganz ohne tierische Zutaten aus. Häufig gebraucht werden ansonsten Eier, Labneh und Joghurt, Ziegen- und Salzlakenkäse (Akkawi), Halloumi, Kishk (fermentierter Joghurt) und Honig. Wer damit kein Problem hat, kann die Boustany-Rezepte ein paar Wochen abwechslungsreich, gesund und höchst schmackhaft durchkochen, ohne sich ein einziges Mal wiederholen zu müssen.

Typisches Rezept? »Maftoul bil Banadoura ma’ Bamia« (Couscous mit Tomaten, Okras & Joghurt)

Was kostet das? 34,95 Euro

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