Finaltriumph bei den US Open Die Machtdemonstration des Carlos Alcaraz
Carlos Alcaraz im US-Open-Finale: Wer ist hier der Boss?
Foto:Frank Franklin II / AP
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Tennismacht aus Murcia: Die Erwartungen an dieses Grand-Slam-Endspiel waren gigantisch, »Sincaraz 3« sollte die Finaldramen von Wimbledon und vor allem Paris fortschreiben. Doch Carlos Alcaraz hatte offensichtlich andere Pläne: Der Kraftprotz aus Murcia überrollte den mitunter bedauernswerten Jannik Sinner in bündigen 2 Stunden und 42 Minuten. Bis auf ein Aufbäumen im zweiten Satz hatte der Titelverteidiger aus Südtirol dem wuchtigen Spiel des Spaniers diesmal nichts entgegenzusetzen.
(Fast) makellos: Der dritte Matchball bringt die Entscheidung, Carlos Alcaraz schlägt Jannik Sinner im Finale der US Open mit 6:2, 3:6, 6:1, 6:4 – und gibt damit im gesamten Turnierverlauf nur einen Satz ab.
Alcaraz nimmt Sinners Gratulation entgegen: »Ich sehe dich mehr als meine eigene Familie«
Foto: Cristobal Herrera Ulashkevich / EPAWettverluste: Wer würde das Finale für sich entscheiden? Eine kleine, nicht repräsentative Umfrage unter den Tennisexperten im Pressezentrum der US Open ergab im Vorfeld ein eindeutiges Ergebnis: Niemand traute sich eine Prognose jenseits von hätte, wenn und aber zu. Mutiger war der kanadische Rapper Drake. Er hatte 300.000 Dollar auf einen Sieg Sinners gesetzt. Den Verlust wird er verkraften können.
Siegercheck: Fünf Millionen Dollar heimst Alcaraz für den Triumph ein, das höchste jemals ausgeschüttete Preisgeld, überreicht in einem winzigen Briefumschlag. Die Summen steigern sich dank begehrter TV-Rechte und astronomischer Werbeeinnahmen von Jahr zu Jahr. Zum Vergleich: Rafael Nadal erhielt bei seinem ersten US-Open-Titel 2010 noch 1,7 Millionen Dollar.
Führungswechsel: Seit Juni 2024 führte Sinner die Weltrangliste an, nun hat Alcaraz dem Italiener nicht nur den letzten Grand-Slam-Titel des Jahres, sondern auch die Spitzenposition abgeluchst. Bereits vor drei Jahren hatte der Spanier durch seinen ersten Major-Triumph die Nummer eins erobert, damals als jüngster Spieler der Geschichte.
Zeitenwende: Historisch war auch dieses Duell, und das gleich in mehrfacher Hinsicht. Novak Djokovic und Rafael Nadal standen sich in den Jahren 2011 und 2012 zwar in vier aufeinanderfolgenden Grand-Slam-Endspielen gegenüber, doch noch nie trafen in einem Kalenderjahr dieselben zwei Spieler in drei Major-Endspielen in Folge aufeinander. Und nach Novak Djokovic’ vier Halbfinalniederlagen in Melbourne, Paris, Wimbledon und nun New York ist es das erste Jahr seit 2003 (!), in dem keiner der Big Three – Djokovic sowie die inzwischen zurückgetretenen Roger Federer und Rafael Nadal – ein Grand-Slam-Finale erreichen konnten.
Big Two: Was die vermeintliche Next Gen um Alexander Zverev nicht geschafft hat, übernehmen nun der 22-jährige Alcaraz und der 24-jährige Sinner: Sie dominieren die großen Turniere, teilen die Titel untereinander auf und haben so eine neue Tennis-Ära begründet. »Ich sehe dich mehr als meine eigene Familie«, witzelte Alcaraz nach dem Match in Richtung Sinner. »Es ist großartig, das alles mit dir gemeinsam zu erleben.«
Stress im Stadion: US-Präsident Donald Trump wollte sich das Tennis-Event in seiner Heimatstadt nicht entgehen lassen und war der (möglicherweise hintersinnigen ) Einladung eines Schweizer Luxusuhrenherstellers gefolgt. Ein großer Teil der Zuschauer hätte auf den Ehrengast allerdings gut verzichten können. Immer wieder wurde Trump mit Buhrufen und Pfiffen belegt, sobald er auf den Stadionmonitoren eingeblendet wurde.
US-Open-Gast Trump
Foto: Evelyn Hockstein / REUTERSDer Geschmähte nahm es im Übrigen gelassen, wie er das Match überhaupt recht ungerührt an sich vorbeiziehen ließ. Präsidiale Beifallsbekundungen in Richtung der Spieler sind jedenfalls nicht überliefert.
Stress vor dem Stadion: Aufgrund der Präsidentenvisite wurden die Sicherheitsmaßnahmen rund um das größte Tennisstadion der Welt hochgefahren. Die Folge: Lange Schlangen vor dem Eingang, etliche der knapp 24.000 Plätze waren noch unbesetzt, als das Match mit 45 Minuten Verspätung begann. Zum großen Ärger der Fans: »Lasst uns rein! Lasst uns rein!« skandierten die Wartenden.
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Jubel, Trubel, Alcaraz: Carlos Alcaraz kann nicht nur ordentlich Tennis spielen, auch im Feiern macht dem Spanier niemand was vor (was man spätestens seit einer Netflix-Doku weiß). Nach dem Matchball brüllte Alcaraz ein entfesseltes »Vamos!« in den New Yorker Abendhimmel, stürmte in seine Box und auch der obligatorische Golferjubel durfte nicht fehlen. Sinner zeigte sich als fairer Verlierer, gratulierte seinem Kontrahenten mit einer herzlichen Umarmung. »Ich habe mein Bestes gegeben«, bilanzierte er noch auf dem Platz. »Mehr konnte ich nicht tun.«
Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Version des Textes hieß es, in der Profi-Ära seit 1968 seien noch nie dieselben zwei Spieler in drei Grand-Slam-Finals in Folge aufeinandergetroffen. Diese Rechnung bezieht sich nur auf ein Kalenderjahr – und gilt im Übrigen für die gesamte Tennishistorie. Wir haben die Angaben präzisiert.