Putschversuch 2023 Brasiliens Oberstes Gericht verurteilt Ex-Präsident Bolsonaro zu 27 Jahren Haft
Jair Bolsonaro: Brasiliens Ex-Staatschef gestikuliert vor dem Eingang seines Hauses – der Politiker steht seit Anfang August unter Hausarrest
Foto: Luis Nova / APBrasiliens früherer Präsident Jair Bolsonaro ist wegen eines versuchten Staatsstreichs zu mehr als 27 Jahren Haftstrafe verurteilt worden. Vier der fünf Richter des Obersten Bundesgerichts (STF) sprachen den 70-Jährigen schuldig, wie die TV-Liveübertragung zeigte.
Nach Überzeugung der Staatsanwaltschaft und der Richter hatte Bolsonaro nach seiner Wahlniederlage Ende 2022 mit Militärs und Verbündeten einen Staatsstreich gegen die Regierung seines linken Nachfolgers Luiz Inácio Lula da Silva geplant.
Es ist das erste Mal in der Geschichte des südamerikanischen Landes, dass ein Ex-Präsident wegen eines mutmaßlichen Umsturzversuchs verurteilt wird.
Anhänger des Rechtspopulisten hatten im Januar 2023 den Regierungssitz in Brasília gestürmt, um einen Militärputsch auszulösen. Ziel sei es gewesen, einen Ausnahmezustand zu verhängen und Neuwahlen durchzusetzen – allerdings habe Bolsonaro die Unterstützung der Militärführung nicht gewonnen.
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Unter den Richtern des Obersten Bundesgerichts hatte lediglich Richter Luiz Fux für einen Freispruch gestimmt. Er hatte am Mittwoch erklärt, das Gericht sei für den Fall nicht zuständig. Seiner Ansicht nach hätte der Prozess vor unteren Instanzen verhandelt werden müssen, da Bolsonaro nicht mehr im Amt sei. Zudem hätte das gesamte elfköpfige Richterplenum den Fall behandeln müssen und nicht nur die jetzt damit beschäftigten fünf Richter. Bolsonaro hat wiederholt erklärt, er sei unschuldig.
Das abweichende Votum von Fux könnte Bolsonaro den Weg für eine Berufung ebnen, die dann vor dem Plenum des Gerichts mit elf Richtern verhandelt werden müsste. Dies könnte den Abschluss des Verfahrens bis kurz vor die Präsidentschaftswahl 2026 verzögern.
Reaktionen kamen aus den USA bereits vor der Verkündung des Strafmaßes. US-Außenminister Marco Rubio nannte die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs in Brasilien ungerecht. Die USA würden »angemessen auf diese Hexenjagd reagieren«, schrieb er im Onlinedienst X.
The political persecutions by sanctioned human rights abuser Alexandre de Moraes continue, as he and others on Brazil's supreme court have unjustly ruled to imprison former President Jair Bolsonaro.
— Secretary Marco Rubio (@SecRubio) September 11, 2025
The United States will respond accordingly to this witch hunt.
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Das brasilianische Außenministerium erklärte daraufhin ebenfalls bei X, die brasilianische Demokratie werde sich von den »Drohungen« Rubios »nicht einschüchtern« lassen. Die Regierung werde »die Souveränität des Landes gegen Aggressionen und Einflussversuche« verteidigen.
US-Präsident Donald Trump bezeichnete die Verurteilung seines Verbündeten Bolsonaro als »sehr überraschend«. Der auch »Tropen-Trump« genannte Ex-Staatschef sei ein »guter Präsident Brasiliens« gewesen, sagte Trump am Donnerstag zu Journalisten.
Der US-Präsident zog Parallelen zu den Gerichtsverfahren, die in den vergangenen Jahren gegen ihn geführt worden waren. »Das ist so ähnlich, wie sie es mit mir versucht haben, aber sie sind nicht damit durchgekommen«, sagte er. In Wahrheit gab es bei den Vorgängen in Brasília durchaus Parallelen zum Sturm auf das US-Kapitol zwei Jahre und zwei Tage zuvor. Damals hatten Trump-Anhänger die Machtzentrale in der US-Hauptstadt attackiert, Trump musste sich deswegen unter anderem in einem Impeachment-Verfahren verantworten. Darin wurde er mit den Stimmen seiner Partei entlastet.
Proteste im Land werden befürchtet
Neben Bolsonaro wurden mehrere hochrangige Militärs und ehemalige Kabinettsmitglieder verurteilt, darunter Ex-Verteidigungsminister Paulo Sérgio Nogueira, Marinechef Almir Garnier und Bolsonaros damaliger Sicherheitsberater Augusto Heleno. Ihnen wurden unter anderem versuchter Staatsstreich, Beteiligung an einer kriminellen Vereinigung und die Beschädigung denkmalgeschützter Gebäude zur Last gelegt.
Brasilien ist stark polarisiert zwischen Anhängern des linken Präsidenten Lula und den Unterstützern seines rechten Vorgängers Bolsonaro. Viele sehen das Strafverfahren als politisch motiviert, andere als Beweis für die Stärke der Institutionen. Nach Einschätzung von Experten könnten die kommenden Wochen von Protesten geprägt sein.
Die Anklage hatte auch zu einer schweren Verstimmung zwischen Lula und US-Präsident Donald Trump geführt. Trump hat sich wiederholt lobend über Bolsonaro geäußert. Er hat Zölle gegen Brasilien verhängt und erklärt, diese seien eine Vergeltung für »heimtückische Angriffe Brasiliens auf freie Wahlen«.
Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Version des Artikels hieß es, Richterin Cármen Lúcia habe die entscheidende dritte Stimme für einen Schuldspruch abgegeben. Tatsächlich stimmten vier der fünf Richter dafür.