Sieg der Basketballer im EM-Halbfinale gegen Finnland Die Rückkehr der Leichtigkeit ermöglicht den Traum von Gold

Die deutschen Basketballer greifen nach dem EM-Titel. Gegen Finnland orchestrierte Dennis Schröder eine nicht zu stoppende Offensive. Nach dem Sieg im Halbfinale richtete sich der Fokus sofort aufs große Ziel.
Aus Riga berichtet Jonas Kraus

Anführer Dennis Schröder (M.): Jetzt im Finale

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Tilo Wiedensohler / camera4+ / IMAGO

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Der Segen der langen Arme: Maodo Lô ist für vieles bekannt. Der gebürtige Berliner ist ein lässiger Typ, ein Lebemensch, ein Familienvater, einer, der den Swag hat. Und vor allem ist er ein begnadeter Basketballer, einer, der den Ball verteilt, schwierige Würfe trifft, anstelle von Dennis Schröder spielen kann oder an seiner Seite. Was er eigentlich weniger gut kann: gegnerische Abschlüsse blocken. Umso mehr überraschte es, als Ende des ersten Viertels Miro Little in Richtung Korb ging, hochsprang und dabei von Lô verfolgt wurde. Der deutsche Offensivzauberer blockte den Versuch des Finnen spektakulär, es war ein Zeichen an den Gegner: Bei uns ist alles möglich, für euch geht heute nichts.

Hat Lô schon mal so geblockt in seinem Leben? »Ich habe schon lange Arme«, sagte er nach dem Spiel, lachte und hob diese hoch, »aber so oft ist mir so ein Block noch nicht gelungen«.

Der Block des Spiels

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Alexander Trienitz / IMAGO

Ergebnis: Deutschland steht im Finale der Basketball-Europameisterschaft. Der Weltmeister zeigte gegen Finnland eine starke Leistung und gewann 98:86. Die deutschen Topscorer waren Dennis Schröder (26 Punkte) und Franz Wagner (22). Lesen Sie hier den Spielbericht. Hier können Sie den Spielverlauf nachlesen.

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Albtraum, die Zweite: Deutschland und Finnland standen sich bereits in der Gruppenphase gegenüber. Die Deutschen gewannen damals hoch überlegen, auch weil der finnische Topstar Lauri Markkanen wirkungslos blieb. Issac Bonga verteidigte gegen ihn hart, aber fair, und das über das ganze Spiel. Hinterher erklärte der oft so zurückhaltende Bonga seine Herangehensweise: »Ich gehe da rein und sage: Wenn der nach Hause geht, hoffe ich, dass er Albträume von mir hat.« Nun trafen die beiden wieder aufeinander.

Erstes Viertel: Der hoch motivierte Bonga kümmerte sich von Anfang an um den NBA-Star Markkanen, und wieder wird der Finne wohl schlecht schlafen in der Nacht nach dem Spiel. Er tat sich schwer, während Deutschland deutlich besser ins Spiel fand als im Viertelfinale gegen Slowenien. Der überragende Schröder verteilte im ersten Viertel sieben Vorlagen, der deutsche Teambasketball war zurück. Aber in der Verteidigung regierte teils die Unordnung, deswegen führte das DBB-Team nur 30:36.

Zweites Viertel: Im zweiten Viertel legte Deutschland noch mal eine Schippe drauf, der Ball lief wunderbar von Spieler zu Spieler. Franz Wagner traf gleich zwei Dreier hintereinander, das gelingt ihm sonst nicht immer. Auch der wieder starke Tristan da Silva und natürlich Kapitän Schröder machten ihre Punkte. Das deutsche Team baute den Vorsprung immer weiter aus. »Wir haben das Spiel kontrolliert«, sagte Schröder hinterher. Und das auf beeindruckende Weise gegen ein Team, das Favorit Serbien ausgeschaltet hat. Zur Pause stand es 61:47.

Da kann auch »Slim Jesus« nichts machen: Gegen die deutsche Übermacht konnte auch Miikka Muurinen nichts ausrichten. Der 18-Jährige ist das größte Talent im finnischen Basketball. Mehr als 2,10 Meter hoch, er geht noch zur Highschool, 2027 folgt wohl der Schritt in die NBA. Bei der EM reisen regelmäßig Scouts an, extra für ihn. Und Muurinen? Bleibt cool. Er traf einen Dreier, später blockte er einen Versuch von Daniel Theis. Seine Fans nennen ihn »Slim Jesus«, natürlich mit einem Augenzwinkern. Das 2007 geborene Talent hat noch viele Schwächen in seinem Spiel, vor allem in der Defense. Aber eines fehlt ihm nicht, das zeigte er einmal mehr: Selbstvertrauen.

Muurinen im Duell mit Johannes Thiemann

Foto: Toms Kalnins / EPA

Drittes Viertel: Die Finnen kamen mit viel Energie aus der Kabine, plötzlich ließen sie den Ball wieder laufen und packten in der Defense zu. Nach und nach knabberten sie den Rückstand ab, nach zwei Freiwürfen von Edon Maxhuni war Finnland auf sechs Punkte dran. »Wir haben das gewusst, dass sie stark rauskommen«, sagte Schröder. Das DBB-Team verlor etwas seine Spielfreude und passte auch beim Rebounden weniger auf. Aber: Es verfiel nicht in Hektik oder Panik. Die deutschen Spieler zogen wieder an: Mit 81:73 ging es ins letzte Viertel.

Mitfiebern: Es drohte, noch mal ein enges Spiel zu werden, vielleicht sogar ein Krimi wie am Mittwoch gegen Slowenien. Alle, die es mit Deutschland halten, wünschten sich in dieser Phase unwillkürlich Johannes Voigtmann herbei. Der so erfahrene Big Man gab dem deutschen Team in den vergangenen Jahren immer Halt, wenn es ins Schlittern geriet. Aber Voigtmann kann nicht spielen, während der Vorrunde musste er abreisen, wurde in München am Knie operiert. Nun reiste er nach Riga nach – und unterstützt das Team halt auf andere Art und Weise. Offenbar half das, nach den zwei weniger souveränen Spielen zuletzt.

Verletzter Spieler Voigtmann: Moralische Stütze

Foto: Matthias Stickel / dpa

Viertes Viertel: Im Schlussviertel wurde es teilweise wild. Finnland wurde nervös, die Uhr tickte runter und der Rückstand nicht geringer. Bei Deutschland trafen noch Andi Obst und da Silva, der Sieg nahm Form an, und auch wenn nicht alles gelang: Das war richtig souverän. »Sie haben unsere Fehler eiskalt bestraft«, klagte Finnlands Star Markkanen, dem nur 16 Punkte gelangen, nach dem Spiel. »Deswegen sind sie Weltmeister.«

So geht’s weiter: Vielleicht ist Deutschland in zwei Tagen nicht mehr »nur« Weltmeister, sondern dazu auch noch Europameister. Zum ersten Mal seit 20 Jahren steht das deutsche Team im EM-Finale. 1993 wurde das Team das einzige Mal Europameister. Und dieses Mal? »Wir sind angetreten mit dem Ziel, um Gold zu spielen«, sagte Schröder. Weder er noch seine Teamkollegen wirkten nach dem Spiel sonderlich euphorisiert, sondern eher: total fokussiert. Auf das Endspiel, auf den Titel. Das Finale steigt am Sonntag um 20 Uhr (TV: RTL und MagentaSport). Der Gegner ist die Türkei, ein starkes Team mit NBA-Stars. Außenseiter ist Deutschland nach der Vorstellung aber gewiss nicht.

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